Olivenöl Sommelière Carmen Sánchez
Gaumenfreude
Haltungssache Olivenöl
Behutsam werden Olivenbäume großgezogen, Früchte tragen die Bäume erst nach knapp fünf bis zehn Jahren. Die Ernte muss so schonend und handmade wie nur möglich sein. Das Leben eines Olivenbauern ist vergleichbar mit dem Handling eines Pubertierenden. Wetterlagen, Parasiten, Reifegrad, Ernte, Nährstoffe, Aromen und Platz für Entfaltung sind entscheidend für das, was am Ende entweder grünes Gold oder Plörre ist. Wir fragen bei Carmen Sánchez, Olivensaft-Sommelière und Mitglied zahlreicher internationaler Jurys für Olivenöl-Wettbewerbe, mal genau nach, wie man gutes Olivenöl erkennt.

EXTRA? VIRGIN? NATIVE? WAS DENN NUN?

Hallo Carmen. Vorab direkt einmal die Frage: Wie bist du darauf gekommen, Olivensaft-Sommelière zu werden?
Beginnen wir erst einmal ungewöhnlich: Wirtschaftsstudium in Spanien abgeschlossen und als Mathematiklehrering gearbeitet. Tja, und dann vor knapp 20 Jahren kam ich nach Deutschland. Als meine Kinder auch größer wurden, wollte ich etwas machen, was mich selbst bewegt. 2012 habe ich in Spanien an der Uni Jaén eine Weiterbildung gefunden und dort meine Berufung entdeckt. Seitdem bin ich diplomierte Expertin für natives Olivenöl.


Woran orientierst du dich bei deiner Bewertung mitten in einem Olivenöl-Wettbewerb?
In jedem Wettbewerb gibt es ein Panel bzw. eine Gruppe, die verkostet. Meine Welt ist die Sensorik, sprich alles, was ich nur mit meinen Sinnen wahrnehmen kann. Ich bekomme nur ein dunkelblaues Glas, damit ich weder Farbe des Olivenöls noch Namen vom Produzenten oder eine Marke sehen kann. Wir beurteilen und prüfen die Fruchtbarkeit, Bitterkeit und Schärfe bei einem Olivenöl. Das sind die drei Eigenschaften, die ein gutes Olivenöl unbedingt haben sollte.


Unreife oder reife Oliven für Olivenöl? Was bevorzugst du selbst?
Definitiv die grünen Oliven. Hierbei kann man die Persönlichkeit der Olivensorte noch kennenlernen, da sie am Anfang des Reifeprozesses steht. Je älter eine Olive ist, umso mehr Antioxidantien verliert sie. Diese schützen die Olive vor Stress bei heißen Temperaturen, bei Krankheiten etc.

Olivenöl ist nicht gleich Olivenöl. Hast du eine bestimmte Lieblingssorte? Ein bestimmtes Lieblingsland?
Spanische Olivensorten sind meine Favoriten. Meine Lieblingssorte ist eine unbekanntere Olivensorte: Picual. Wenn man eine Flasche Picual öffnet, hat man das Gefühl, man ist in Spanien. Es ist, wie wenn man in einen Gemüse-garten geht, eine Tomate anfasst und die Hand riecht sofort klar nach Tomate. Ganz authentisch. Ich mag aber auch sehr italienische Olivensorten. Die Bittermandel und Marzipan-Note hat man bei vielen italienischen Olivenölen sofort in der Nase.


Man sagt, dass die Bäume sehr viel Liebe benötigen. Erzähl uns gern von den wichtigsten Zutaten für ein sattes Olivenöl!
Sonne & Wasser. Liebe von den Bauern natürlich auch. Aber hinter bester Qualität steht ein Agronom, der ein ganzes Jahr die Betreuung von Olivenbäumen übernimmt. Der Agronom weiß, was der Baum in jeder Jahreszeit benötigt und wie man mit den Bäumchen umgeht. Um eine gute Ernte für das folgende Jahr zu schaffen, ist es entscheidend, wenn man weiß, wann man die Äste zurückschneiden muss. Man muss den Zustand des Bodens prüfen. Hierbei ist es optimal, wenn man ein Bewässerungssystem hat, damit auch in trockenen Jahren der Baum genügend Wasser bekommt.

Dies macht sich dann später in der Sensorik bemerkbar. Man schmeckt mehr Schärfe und Bitterkeit im Olivenöl, wenn der Baum Stress oder zu trockene Erde hatte. Ein Agronom weiß genau, wann der perfekte Zeitpunkt der Olivenfrucht gekommen ist, um Fett zu produzieren, auch Lipogenese genannt.


Wie sieht's mit der Anbauart aus? Welche Varianten gibt es?
Es gibt den superintensiven, intensiven und traditionellen Anbau. Die beste Anbauart für mich ist der traditionelle Anbau. Denn hier haben die Bäume genug Platz und Abstand zueinander, um genug Sonne und Luft zube-kommen. Leider versucht man heutzutage mehr Ernte bei weniger Fläche herauszubekommen. Dafür sind im Laufe der letzten Jahrzehnte die Bäume immer enger auf den Olivenhainen gepflanzt worden. Leider schaffen es im-mer weniger Bäume unter diesen Bedingungen zu überleben. Von daher möchte ich diese Art von Anbau nicht unterstützen, da es sonst in Zukunft immer weniger Vielfalt an verschiedenen Olivenölen geben wird.

Bei Olivenöl wird leider auch viel Pfusch betrieben. Länder kaufen Ernten anderer Länder auf, benennen aber die wahre Olivenherkunft nicht. Schmeckt man die Herkunft?
Auf dieser Welt existieren ca. 2000 Olivensorten. Es gibt in der Tat bestimmte Noten in der Fruchtbarkeit, die ein Indiz dafür sein können, dass z.B. Oliven wegen ihrer Mandelnote aus Italien kommen.


Bleiben wir bei Geschmack. Schmeckt man den Unterschied von Familien- zu Großproduktionen?
Ja und nein. Es gibt Kooperationen von verschiedenen Landwirtschaften, die zusammen die Oliven in die Ölmühle bringen und dort entstehet ausgezeichnete Qualität. Die Großproduktionen hingegen sind oft mit geringer Qualität verbunden. Man muss hierzu allerdings sagen, dass auch Olivenöle aus Großproduktionen von guter Qualität sein können, nur eben anders verwendet werden.


Wie erfährst du die Einstellung zu Olivenöl in der Gastronomie?
Bei allen Köchen, die ich besuche, merke ich, dass die Kreativität durch gutes Olivenöl noch mehr angeregt wird. Denn mit der Nase allein kann jeder Mensch die feinen Unterschiede von Olivenöl schon filtern und wissen, was zu welchem Gericht oder Lebensmittel passen könnte. Olivenöl macht manche Produkte auch haltbarer. Ich arbeite z. B. mit Chocolatiers zusammen, die feststellen, dass eine Nougat-Praline mit Olivenöl viel feiner schmeckt als mit Butter.

 

Warum eigentlich das Wort OLIVENSAFT?
Bei einer Küchenparty von Nelson Müller habe ich einfach Olivensaft anstelle von Olivenöl gesagt, da die Olive eine Frucht ist und für eine gute Qualität muss sie straff und frisch sein.

Bettina
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